Nach dem saudischen Arbeitsgesetz (Saudi Labor Law, Royal Decree No. M/51) gelten befristete Arbeitsverträge als Regelfall, insbesondere bei ausländischen Arbeitnehmern. Ein solcher Vertrag endet grundsätzlich automatisch mit Ablauf der vereinbarten Dauer, ohne dass es einer Kündigung bedarf (Art. 74 Abs. 1). Wird keine Vertragsdauer angegeben, gilt für ausländische Arbeitnehmer kraft Gesetzes eine Befristung von einem Jahr ab Arbeitsbeginn (Art. 37). In der Praxis werden Verträge mit Expatriates ausschließlich befristet geschlossen, da das Gesetz bei ausländischen Arbeitnehmern einen befristeten schriftlichen Vertrag vorschreibt. Im Gegensatz dazu ist bei saudischen Staatsangehörigen auch der Abschluss unbefristeter Verträge gängig, wobei diese nach bestimmten Kriterien – etwa bei mehrfacher Verlängerung – auch bei zunächst befristetem Abschluss als unbefristet gelten können (Art. 55).
Mit Wirkung zum Februar 2025 hat das saudische Arbeitsministerium nun eine Novellierung des Gesetzes vorgenommen, die vor allem die vorzeitige Beendigung solcher befristeten Verträge betrifft. Besonders bedeutsam ist dabei die Einführung eines ordentlichen Kündigungsrechts zugunsten von Arbeitnehmern – ein Bruch mit der bisherigen Dogmatik des saudi-arabischen Vertragsrechts.
I. Bisherige Rechtslage: Vertragsbindung und Schadensersatzrisiko
Nach der bisherigen Fassung des Arbeitsgesetzes, insbesondere Art. 74, Art. 80 und Art. 77, galt der Grundsatz, dass ein befristeter Arbeitsvertrag während seiner Laufzeit nur ausnahmsweise vorzeitig beendet werden konnte. Eine ordentliche Kündigung war nur dann zulässig, wenn sie ausdrücklich vertraglich vereinbart war. Andernfalls konnte ein Arbeitnehmer lediglich aus wichtigem Grund gemäß Art. 81 kündigen – etwa bei Vertragsverletzungen oder Gesundheitsgefährdung durch den Arbeitgeber.
Verließ ein Arbeitnehmer den Arbeitsplatz ohne rechtmäßige Kündigung, stand dem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 77 zu. Dieser bemisst sich entweder nach einem vertraglich vereinbarten pauschalierten Betrag oder – in Ermangelung dessen – nach der rechnerischen Vergütung für die verbleibende Vertragsdauer. Auch bei arbeitgeberseitiger Kündigung außerhalb der in Art. 80 genannten Gründe bestand eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Dies führte in der Praxis zu einem hohen Maß an Vertragsbindung und erheblichen finanziellen Risiken bei jeder Form der vorzeitigen Beendigung.
II. Neue gesetzliche Regelung: Kündigungsrecht mit Frist von 30 Tagen
Mit der Neufassung von Art. 74 Abs. 4 und 5 wurde nun ein allgemeines ordentliches Kündigungsrecht eingeführt, das ausdrücklich auch für befristete Verträge gilt. Danach kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 30 Tagen ordentlich kündigen, ohne dass es eines besonderen Grundes bedarf. Voraussetzung ist die Einhaltung der Kündigungsfrist und die Schriftform. Schadensersatzansprüche sind in diesem Fall ausgeschlossen.
Diese Änderung stellt einen grundlegenden Systemwechsel dar. Arbeitnehmer können nun, unabhängig vom ursprünglichen Vertragsende, ihre Position flexibel aufgeben, ohne mit Regressforderungen rechnen zu müssen. Dies eröffnet insbesondere ausländischen Fachkräften größere berufliche Mobilität und wird allgemein als Schritt zur Angleichung an internationale arbeitsrechtliche Standards gewertet.
III. Reaktionsmöglichkeiten und Handlungsspielraum des Arbeitgebers
Gleichzeitig bleibt das neue Recht nicht einseitig arbeitnehmerfreundlich. Arbeitgebern wird durch die Neuregelung ein Übergangsmechanismus eingeräumt: Sie können innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Kündigung unter Angabe betrieblicher Gründe beantragen, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses um maximal 60 Tage zu verschieben. Diese Mitteilung muss schriftlich erfolgen und plausibel begründet sein. Der Gesetzgeber schafft damit einen Ausgleich, um Unternehmen Zeit für Ersatzbeschaffung oder Übergabeprozesse zu geben.
IV. Praktische Auswirkungen und Empfehlungen für Unternehmen
Die Reform betrifft insbesondere Personalabteilungen und Geschäftsführungen, die auf befristete Arbeitsverhältnisse angewiesen sind. In der Praxis ist damit zu rechnen, dass befristete Verträge nicht mehr die zuvor bestehende Planungssicherheit bieten. Unternehmen sollten daher ihre Vertragsmuster anpassen, insbesondere hinsichtlich Rückzahlungsvereinbarungen bei Schulungen oder Mobilitätskosten, um sich im Fall einer vorzeitigen Kündigung abzusichern. Auch interne Prozesse – etwa Onboarding und Know-how-Transfer – sollten künftig so ausgestaltet werden, dass kurzfristige Abgänge besser kompensiert werden können.
Die arbeitsrechtliche Liberalisierung ist Teil der umfassenden wirtschaftlichen Reformstrategie Saudi-Arabiens (Vision 2030) und wird voraussichtlich die Fluktuation erhöhen, zugleich aber auch die Attraktivität des Arbeitsmarkts steigern. Für Expatriates und saudische Staatsangehörige gleichermaßen entsteht dadurch ein dynamischeres Beschäftigungsumfeld mit flexibleren Entwicklungsmöglichkeiten.