Neuer FTA-Leitfaden zu Zinsabzugsbeschränkungen im Körperschaftsteuerrecht der VAE
I. Hintergrund und Zielsetzung des Leitfadens
Am 7. April 2025 veröffentlichte die Federal Tax Authority (FTA) der Vereinigten Arabischen Emirate einen neuen Leitfaden mit dem Titel „Corporate Tax Guide | Interest Deduction Limitation Rules (CTGIDL1 – April 2025)”. Dieser erläutert die Anwendung der Art. 30 und 31 des Bundesgesetzes Nr. 47 von 2022 über die Körperschaftsteuer und bringt wesentliche Klarheit für Steuerpflichtige im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen. Der Leitfaden ist Teil der kontinuierlichen Bemühungen der VAE, ihre Steuerpolitik mit internationalen Standards – insbesondere der OECD BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting) – in Einklang zu bringen und missbräuchliche grenzüberschreitende Gestaltungen einzudämmen.
II. Allgemeine Beschränkung nach Art. 30 – die 30%-EBITDA-Regel
Zentraler Bestandteil des Leitfadens ist die Regelung zur allgemeinen Begrenzung von Zinsabzügen auf 30 % des steuerlich bereinigten EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen). Diese Grenze soll sicherstellen, dass übermäßige Fremdfinanzierung steuerlich nicht unbegrenzt abzugsfähig ist, was zu einer Aushöhlung der Steuerbasis führen könnte. Unternehmen, deren Nettozinsaufwendungen den Schwellenwert von 30 % übersteigen, dürfen den übersteigenden Betrag nicht im aktuellen Steuerzeitraum abziehen, erhalten jedoch die Möglichkeit, nicht genutzte Zinsbeträge für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren vorzutragen.
Für bestimmte Unternehmen gelten Ausnahmen. Insbesondere Finanzinstitute wie Banken und Versicherungen sowie eigenständige Gesellschaften, die nicht Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe sind, unterliegen nicht dieser Beschränkung. Zusätzlich hat die FTA eine sogenannte De-minimis-Grenze eingeführt: Liegen die Nettozinsaufwendungen eines Unternehmens in einem Steuerjahr bei höchstens 12 Millionen AED, so findet die 30 %-Regel keine Anwendung. Dies stellt eine wesentliche Erleichterung für kleine und mittelgroße Unternehmen dar.
III. Einschränkung bei konzerninternen Finanzierungen – Art. 31
Besondere Aufmerksamkeit widmet der Leitfaden auch konzerninternen Finanzierungsstrukturen. Nach Art. 31 sind Zinsaufwendungen gegenüber verbundenen Parteien dann nicht abzugsfähig, wenn der Hauptzweck der Finanzierung in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils liegt. Der Leitfaden stellt jedoch klar, dass eine steuerliche Nichtanerkennung vermieden werden kann, wenn das Darlehen aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen gewährt wurde und die Zinseinkünfte beim Empfänger einer Besteuerung von mindestens 9 % unterliegen. Diese Regelung dient der Abwehr von Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerjurisdiktionen, lässt aber Raum für legitime innerbetriebliche Finanzierungen.
IV. Free Zone-Unternehmen und Wechselwirkungen mit anderen Vorschriften
Auch Free-Zone-Unternehmen werden in der neuen Fassung berücksichtigt. Obwohl qualifizierende Einkünfte dieser Unternehmen dem Körperschaftsteuersatz von 0 % unterliegen können, gelten die Zinsabzugsbeschränkungen für nicht-qualifizierende Einkünfte uneingeschränkt. Dies bedeutet, dass Zinsen in Bezug auf solche Einkünfte den allgemeinen Regeln unterliegen und unter Umständen nicht in vollem Umfang abzugsfähig sind.
Darüber hinaus enthält der Leitfaden Hinweise zur Wechselwirkung der Art. 30 und 31 mit weiteren steuerlichen Vorschriften, insbesondere den Regelungen zu Verrechnungspreisen, zur sogenannten „Thin Capitalization“ und zu den allgemeinen Missbrauchsvermeidungsregelungen nach Art. 50. Diese Querverweise verdeutlichen, dass die Frage der Zinsabzugsfähigkeit im Gesamtzusammenhang des Körperschaftsteuergesetzes zu beurteilen ist.
V. Bedeutung für die Praxis
Für Unternehmen mit Sitz in den VAE ergibt sich aus dem Leitfaden ein klarer Handlungsbedarf. Insbesondere sollten bestehende und geplante Finanzierungsstrukturen auf ihre steuerliche Wirkung hin überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Intragruppen-Darlehen sollten durch wirtschaftlich fundierte Dokumentation gestützt und deren steuerliche Behandlung – sowohl beim Schuldner als auch beim Gläubiger – nachvollziehbar dargestellt werden. Ebenso ist die laufende Beobachtung der Höhe der Zinsaufwendungen in Relation zum EBITDA wesentlich, um eine unerwünschte Begrenzung des Zinsabzugs zu vermeiden oder rechtzeitig alternative Maßnahmen zu ergreifen.
VI. Fazit
Der neue Leitfaden der FTA zu Zinsabzugsbeschränkungen schafft dringend benötigte Orientierung und Rechtsklarheit für Unternehmen in den VAE. Er trägt zur Steigerung der Transparenz und zur Stärkung der internationalen Reputation des Standorts bei, ohne die Bedürfnisse der Wirtschaft aus dem Blick zu verlieren. Unternehmen sind nun gefordert, die neuen Vorgaben in ihre steuerliche Planung einzubeziehen und ihre Finanzierungsstrategien entsprechend auszurichten.