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DE/VAE: VAE-Stiftung – Keine Durchgriffsbesteuerung bei den Destinatären in Deutschland?

BFH-Urteil zur Zurechnungsbesteuerung: Auswirkungen auf Drittstaatenstiftungen Anpassung der Anwendung von § 15 Abs. 6 AStG im Lichte der Kapitalverkehrsfreiheit

Kernaussagen

  • Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die bisherige Beschränkung der Escape-Klausel des § 15 Abs. 6 AStG auf EU-/EWR-Staaten gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV verstößt, wenn sie ausländische Familienstiftungen in Drittstaaten grundsätzlich von der Ausnahmeregelung ausschließt.
  • Eine unionsrechtskonforme Auslegung erfordert die Anwendung der Escape-Klausel auch auf Familienstiftungen in Drittstaaten, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Auch wenn Stiftungen in den VAE die rechtlichen Hürden des § 15 Abs. 6 AStG erfüllen können, fehlt es an einem entsprechenden Verständigungsverfahren zwischen DE und den VAE, sodass § 15 Abs. 1 AStG weiterhin für VAE-Stiftungen gilt, deren Stifter oder Destinatäre in DE unbeschränkt steuerpflichtig sind.

I. Thema

Das Urteil betrifft die Anwendung der Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG auf ausländische Familienstiftungen mit Sitz in Drittstaaten. Im konkreten Fall ging es um eine Schweizer Familienstiftung, deren Destinatäre deutsche Steuerpflichtige waren. Das Finanzamt rechnete ihnen Einkünfte der Stiftung gemäß § 15 Abs. 1 AStG zu, wogegen die Klägerin unter Berufung auf EU-Recht vorging.

Die Klägerin war der Auffassung, dass für sie die Ausnahme gemäß § 15 Abs. 6 AStG greifen müsse – nämlich, dass die Durchgriffsbesteuerung auf die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Personen nicht anwendbar ist, wenn das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Destinatäre und des Stifters rechtlich und tatsächlich entzogen ist.

II. Rechtliche Bewertung

Der BFH stellte fest, dass § 15 Abs. 6 AStG in seiner bisherigen Anwendung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstößt, wenn er ausländische Familienstiftungen in Drittstaaten grundsätzlich von der Ausnahmeregelung ausschließt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung erfordert daher die Anwendung der Escape-Klausel auch auf Familienstiftungen in Drittstaaten, sofern:

  • den Destinatären die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist und
  • zwischen Deutschland und dem Drittstaat ein ausreichender Informationsaustausch zur Durchführung der Besteuerung besteht (z. B. durch eine weitreichende Auskunftsklausel im Doppelbesteuerungsabkommen).

Im konkreten Fall waren diese Voraussetzungen erfüllt, sodass die Zurechnungsbesteuerung nicht anwendbar war.

III. Situation DE – VAE

In den VAE gibt es derzeit kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Auch existiert keine Auskunftsvereinbarung mehr, wie sie noch bis 2006 bestand. Bis 2006 enthielt das damalige DBA DE–VAE ein Verständigungsverfahren gemäß Art. 24. Mit dem Außerkrafttreten des DBAs entfiel jedoch auch dieses Verfahren, sodass die Voraussetzung eines ausreichenden Informationsaustauschs aktuell nicht erfüllt ist.

Zwar gibt es vereinzelt Auskünfte aus den VAE an Deutschland über lokale Vorgänge mit steuerlichen Implikationen, jedoch existiert kein offizielles Abkommen.

Solange ein solches Abkommen oder eine entsprechende Vereinbarung nicht existiert, gilt für VAE-Stiftungen: Selbst wenn dem Stifter und den Destinatären das Vermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist, werden die in DE unbeschränkt steuerpflichtigen Begünstigten bzw. deren unbeschränkt steuerpflichtige Stifter gemäß ihres wirtschaftlichen Interesses an der Stiftung besteuert (Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 1 AStG).

IV. Zusammenfassung

Wer eine Stiftung in Drittstaaten plant, sollte bei deren Gestaltung generell die Möglichkeit der Anwendung der Escape-Klausel des § 15 Abs. 6 AStG prüfen. Voraussetzung ist, dass den Destinatären die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen entzogen ist und ein ausreichender Informationsaustausch mit dem Drittstaat besteht. Dies ist insbesondere bei Ländern mit umfassenden Auskunftsklauseln im DBA relevant.

Das Urteil des BFH erfordert eine Überprüfung bestehender Strukturen und bietet Gestaltungsspielräume, um die Zurechnungsbesteuerung zu vermeiden. Es ist ratsam, bestehende Stiftungsstrukturen im Lichte dieses Urteils zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen.

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